Als Kind hörte ich von Erwachsenen von dem “schönen Händchen”, wenn ich ihnen selbstverständlich meine linke Hand entgegenstreckte.
Im Kindergarten wurde ich aus der Gruppe genommen und musste gefühlt stundenlang mit beiden Händen gleichzeitig Kreise malen, um die rechte Hand zu fördern.
In der ersten Klasse dann durfte nur mit rechts geschrieben werden – und ich wechselte, sobald die Lehrerin wegguckte, in die Linke.
Noch heute bin ich meinen Eltern dankbar, dass sie dem nach wenigen Wochen ein Ende machten. Damals, 1973 mussten sie sich dafür massiv einsetzen, dass ich mit links schreiben durfte. Was für ein Segen für mich!
Scheren, Lineale, Soßenkellen, Ringbücher, Werkzeuge…. all das erinnert mich täglich wieder daran, dass meine Umgebung sich an Rechtshändern orientiert, weil sie eben die Mehrheit sind. Und die Minderheit hat sich anzupassen.
Heute darf jedes Kind mit der Hand schreiben lernen, die das möchte, es gibt es zum Glück viele Utensilien, die extra für Linkshänder gefertigt wurden, aber die Gesellschaft an sich hat sich erschreckend wenig verändert.
Die Mehrheit gibt vor, was angeboten wird, alle, die anders sind, müssen sich das erkämpfen oder sich Nischen unter ihresgleichen suchen.
Meine Haltung zur Buntheit und Vielfalt des Lebens, zu Menschen, die anders lieben und anders leben, ganz egal, ob sie so geboren wurden oder sich dazu entschieden haben, ist durch meine eigene Linkshändigkeit geprägt worden. Gott sei Dank!
Wir leben 2020 – was wäre das für ein Segen, wenn sich die Vielfalt der Menschen in allen Teilen unserer Gesellschaft niederschlagen würde und jede(r) immer wieder daran erinnert würde, dass es Menschen gibt, die anders sind als man selbst – und trotzdem gut!
Weil Gott uns so gewollt hat, als Links-, Rechts- oder Beidhänder, als Männer, Frauen, Intersexuelle, als hetero-, homo- und bisexuell Liebende, als Menschen mit körperlichen und geistigen Besonderheiten.
Euch allen, und vor allem allen “I-Dötzchen” einen schönen Linkshändertag!