Impuls zu Mk 4,35ff

Ich kann in diesen Tagen gut nachempfinden, was die Jünger gefühlt haben.

Damals, auf dem See, mitten im Sturm.
Auf einem Holzboot, dem Sturm und den Wellen ausgeliefert.
Ohnmächtig. Hilflos. Voll von Angst.
Plötzlich schwimmen alle Sicherheiten weg. Nichts ist mehr da zum Festhalten.

Manche erleben genau das in diesen Tagen. Auch bei uns.
Corona. Gewalt. Krankheit.
Verlassensein.

“Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen!?”, sagen die Jünger vorwurfsvoll zu Jesus.
Eine gute Frage, die Menschen auch heute stellen:
“Gott, ist es dir egal, wie es mir geht? Warum tust du nichts?”

“Ich bin krank, ich kämpfe schon so lange mit dieser Krankheit, ich habe schon so viele Gebete gesprochen. Aber es passiert kein Wunder! Meister, fragst du nichts danach, dass ich umkomme?!”

Und die schlimmen Nachrichten von Krieg, Terror und Gewalt, von diesem Virus und anderen Bedrohungen, sie reißen einfach nicht ab.

Die einen klagen, andere erstarren wie die Jünger neben Jesus zur Maske. Bleich, mit engen Augen. Ihre Hände klammern sich fest. Verkrampfen. Angst beherrscht jede Zelle, lähmt jeden Gedanken.

Wieder andere krempeln die Ärmel hoch, kämpfen mit hochrotem Gesicht, versuchen zu retten was zu retten ist. Aber wie lange halten sie das durch?

Wenige Meter weiter völlige Ruhe: Ein entspannter Mensch. Jesus im Tiefschlaf. Als ginge ihn das alles nichts an, wiegt er mit den Wellen. Atmet langsam ein und aus. Strahlt einen großen Frieden aus. In eigenartigem Kontrast zu den Menschen, denen die Wellen den Boden unter den Füßen wegziehen.

Dieses Bild kennen wir aus vielen Kinderbibeln und anderer Kunst.
Die verzweifelten Menschen auf der einen und der schlafende Jesus auf der anderen Seite.
Ich möchte euch heute ein Bild zeigen, das ein Kollege gemalt hat.

Jesus schläft. Entspannt wie ein Kind, in einer Nussschale von Boot, allein.
Merkwürdigerweise fehlen hier die Jünger, die Erschöpften und Verzweifelten, die Fragesteller.

Vielleicht stehen sie außerhalb, so wie wir, und schauen wie gebannt auf den, der einfach nur schläft.

Warum schläft Jesus? Weil es ihn nicht interessiert? Dann wäre die Geschichte wohl kaum so aufgeschrieben worden.

Weil er so sicher ist. Sicher, dass Gott bei ihm ist.
Weil er den Frieden in sich trägt, der höher ist als alle Vernunft.
Weil er weiß, dass ihn nichts trennen kann von der Liebe Gottes, weder Hohes noch Tiefes, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges. Und noch nicht einmal der Tod. Nichts kann ihn trennen von der Liebe Gottes.

Beneidenswert. Und irgendwie kommt das in der Geschichte von der Sturmstillung zu kurz: Dieses entspannte Schlafen, obwohl der Sturm tobt, obwohl ihn doch die Verzweiflung und das Schreien der Menschen längst hätte aufwecken müssen.

Was dieses Bild so besonders macht, ist das zweite Kissen.
Für mich die Einladung: Leg dich zu mir, ruh dich aus, entspannt dich. Lass dich einladen zum Atem holen, mitten in den Wellen, die über dir zusammenschlagen.

Ja, es gibt eine Zeit, in der du alles tun musst, um die Situation zu retten oder zu beherrschen. Aber es gibt auch die andere Zeit.
Sich dem schaukelnden Schiff anvertrauen und dem, der stärker ist als alle Wellen und alle Stürme, die uns begegnen.

Und dabei vielleicht spüren: Der vermeintlich schlafende Gott ist einer, bei dem ich Atmen holen kann, ausruhen, Kraft schöpfen.

Ja, ich weiß nicht, ob ich diesem Gott, ob ich Jesus vertrauen könnte, wenn er nur schlafen würde, in der Geschichte und in meinem Leben.
Wenn dieser Jesus nicht auch schreien würde. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ – später, am Kreuz.

Beides ist mir wichtig. Auch, dass er als Mensch gelitten und geschrien hat wie jeder andere. Und deshalb unsere Angst nicht kleinredet.

Erst vor diesem Hintergrund bekommt unser Bild erst die nötige Tiefe.

Er schläft trotzdem, obwohl er die Angst kennt und das Gefühl, von Gott verlassen zu sein.

Und da gibt es ein zweites Kissen. Eine Einladung, sich daneben zu legen, so dass ich seine Nähe spüre und seinen Atem höre.
Das ist keine Versicherung gegen die Stürme meines Lebens.
Und das heißt vielleicht auch nicht, dass ich es jemals schaffe, so im Frieden und Vertrauen auf Gott zu ruhen wie er.
Aber es gibt uns vielleicht das Gefühl, dass uns zwar Manches bedrohen mag. Aber nichts mehr zerstören kann.

Gottes Einladung steht: Dein Kissen liegt da. Für mich heißt das: Vertrauen wagen.

Niemand kann dir beweisen, dass Christus den Tod besiegt hat, dass er stärker ist als alles, was dich bedroht.
Aber du kannst allen Mut zusammennehmen und vertrauen. Weil er Ruhe und Gewissheit ausstrahlt. Durch seine Geschichten der Liebe.

Gott, wo bist du? Kümmert es dich nicht, dass ich Angst habe?
Hier bin ich, auf dem Kissen neben dir. Rück ran und atme meinen Frieden.

Amen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert